Tusk stellt Vertrauensfrage
von Malgorzata GruntkowskiEin Jahr nach der ersten Wiederwahl einer Partei seit 1989 und kurz vor dem Unabhängigkeitsfeiertag am 11.11. kriselt es im polnischen Parlament. Tusk stellte am Freitag die Vertrauensfrage und bleibt im Amt - zumindest vorerst.
Überraschend, dem Antrag der Oppositionspartei PiS auf Misstrauensvotum zuvorkommend, stellte der polnische Ministerpräsident im polnischen Sejm die Vertrauensfrage und gewann - vorerst. Für ihn stimmten 233 Abgeordnete, dagegen 219. Die regierende Koalition musste nur einen Abgeordneten vermissen, während in den Oppositionsreihen sogar sieben Abgeordnete fehlten. Wie eine Reporterin des Senders TVN mutmaßte - da der Regierungssturz Neuwahlen bedeuten würde, auf die die Opposition noch nicht vorbereitet sei.
Der Premier setzte alles auf eine Karte. Um eine Bestätigung dessen zu erhalten, dass er eine zum Regieren notwendige parlamentarische Mehrheit besitzt und um die politische Initiative zu ergreifen sowie die Unterstützung der Wähler wiederzugewinnen. Er begründete seinen Schritt mit dem „politischen Durcheinander“ der letzten Wochen und den informellen, jedoch im öffentlichen Raum stattgefundenen zwei konstruktiven Misstrauensvoten und zwei Kandidaturen außerparlamentarischer Ministerpräsidenten. Der Meinung der Opposition nach jedoch wurde er zu diesem Zug von den Meinungsumfragen, die ein nächstes Mal PiS, der Partei von Jarosław Kaczyński, den Vorrang gaben, gezwungen. Ludwik Dorn (ehemals PiS) deutete ihn sogar auf der Sejmtribüne als Zeichen von Angst und Schwäche und verglich ihn mit einem Revolverziehen seinen eigenen Reihen gegenüber. Der Ausspruch eines PO-Mitglieds lautete dagegen: Eine Meinungsumfrage ist ein Barometer und kein Wahlergebnis.
Die Oppositionspartei PiS, die (vor dem 12. Oktober) einen Premierkandidaten vorgeschlagen hat, ist nicht der Meinung, dass die Bestätigung Tusks Regierungsmandat durch das Vertrauensvotum irgendetwas ändert. Sie will im November einen Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum mit Prof. Piotr Gliński als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten stellen. Der aktuelle polnische Ministerpräsident sieht es als seine wichtigste Aufgabe, das verlorene Vertrauen der Wähler wiederherzustellen.
Über die Autorin dieses Artikels
Malgorzata Gruntkowski ist gebürtige Polin und lebt seit mehreren Jahren in Deutschland. Sie hat Germanistik in Breslau studiert und betreibt nun ein eigenes Übersetzungsbüro für die Sprachen deusch, polnisch und russisch: www.gruntkowski.com
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