Dmitri Medwedew in Polen: Seit dem Zerfall der UdSSR erst der dritte offizielle Staatsbesuch eines russischen Präsidenten in Warschau
von Malgorzata GruntkowskiAm Montag, dem 6.12.2010, dominierte ein Thema in den polnischen Medien – ein offizieller Staatsbesuch des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in der Hauptstadt, der dritte seit dem Zerfall der Sowjetunion und der erste seit fast neun Jahren. Ein Treffen mit dem polnischen Staatspräsidenten Komorowski, eins mit dem Ministerpräsidenten Tusk und ein festliches Abendessen gekrönt von einer Schokoladentorte mit Früchten waren die Hauptpunkte des ersten Tages des zweitätigen Besuches.
Ein offizieller Besuch, also ein offizielles Protokoll, Plenargespräche und Gespräche unter vier Augen, aber auch Sympathiegesten. Der polnische Starregisseur des Films „Katyn“ Andrzej Wajda (Goldener Ehrenbär auf der Berlinale 2006) wurde mit dem russischen Freundschaftsorden ausgezeichnet. Das Massaker von Katyn gehörte neben der Flugzeugkatastrophe von Smolensk und der Energiewirtschaft zu den Topthemen des Tages und auf dem Tagesplan standen deren viele. Präsident Medwedew wurde von den Ministern der Schlüsselministerien begleitet: dem Außen-, Justiz-, Wirtschafts-, Transport- und Kultusminister. Außerdem bildete die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen einen der Kernpunkte des Besuches. Und das zu Recht, da das Potential dieser noch längst nicht ausgeschöpft ist. Polen investiert zur Zeit drei mal mehr als in Russland in seinem kleinen südlichen Nachbarland Tschechien, mit über 100 mal weniger Bevölkerung als der russische Riese. Auf der polnischen Seite weiß man wiederum vor allem von den Investitionen von Gazprom, einigen Dutzend Tankstellen der Firma Łukoil und Anteilen an dem Süßigkeitenhersteller Śnieżka AG. Jetzt soll alles besser werden. „Ein gutes Geschäft ist dann, wenn beide Seiten dabei verdienen und zufrieden sind“ – sagte Bronisław Komorowski.
Zwei weitere Punkte, auch in russischen Berichten über das Ereignis dominierend: die Aufklärung des Flugzeugunglücks von Smolensk und das Massaker von Katyn. Dmitri Medwedew schlug vor, mit der Geschichte mögen sich die Historiker beschäftigen, und nicht die Politiker. Außerdem sagte er: „Ich habe die Wahl absolut bewusst getroffen, und wir werden diesen Weg nicht verlassen. Die Wahrheit brauchen die Polen, aber nicht im geringeren Maße auch die Russen“ und gab gleichzeitig zu verstehen, er erwarte Gegenseitigkeit. Es geht auf der polnischen Seite um das Los der gefangenen Rotarmisten des Krieges von 1920.
Trotz des straffen Zeitplans des Besuches fand Medwedew Zeit für einen Spaziergang durch die Warschauer Altstadt. Seine Ehefrau, Svetlana verbrachte ihrerseits den Tag mit der polnischen First Lady Anna Komorowska. Nach den Strapazen des Tages und dem Abendessen begaben sich beide Staatspräsidenten mit ihren Ehefrauen zu einem Konzert der Lieder von Wladimir Wyssozki.
Über die Autorin dieses Artikels

Malgorzata Gruntkowski ist gebürtige Polin und lebt seit mehreren Jahren in Deutschland. Sie hat Germanistik in Breslau studiert und betreibt nun ein eigenes Übersetzungsbüro für die Sprachen deusch, polnisch und russisch: www.gruntkowski.com
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