Der Herbst 2011 in Polen - eine bewegte Zeit
von Malgorzata GruntkowskiParlamentswahlen mit mehr und weniger erwarteten Ergebnissen, der am 11.11.2011 gefeierte Unabhängigkeitstag (leider nicht ohne Ausschreitungen) und jetzt der „Abgang“ der 3 Musketiere aus der Kaczyński-Partei (man kann sie getrost so nennen) PiS.
Seit den Parlamentswahlen am 09. Oktober mit mehr oder weniger erwarteten Ergebnissen ist in Polen immer was los. Erwartet der recht deutliche Sieg der rechtsliberalen Partei Bürgerplattform über die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit mit 39 gegenüber knapp 30 % der Stimmen. Nicht ganz so erwartet: Der Einzug als drittstärkste Kraft ins polnische Parlament (und damit sowohl vor dem Koalitionspartner PO’s der Polnischen Volkspartei als auch dem Bund der Demokratischen Linken, deren Parteichef nach dem für die Linken enttäuschenden Resultat seinen Rücktritt erklärt hat) der noch frischen, gerade mal im Juni 2011 registrierten Palikot-Bewegung. Ihr Gründer, ein ehemaliges Mitglied der Bürgerplattform, erfolgreicher Geschäftsmann und zur Zeit die schillerndste Gestalt auf der polnischen Politikszene, konnte wirklich mit dem Ergebnis zufrieden sein – rund 10% beim Wahldebüt – vielleicht auch ein Zeichen für einen gedanklichen Wandel im katholischen Polen – einen Wandel zu mehr Laizismus.
Zufrieden konnte auch Donald Tusk, einer der Mitbegründer der PO, der ehemalige und neue Ministerpräsident, sein – seit der Wende 1989 bis jetzt pflegten die polnischen Wähler eine Partei nach einer (verkürzten – eine stolze Zahl von 13 Ministerpräsidenten) Wahlperiode die regierende Partei abzuwählen. Tusk gelang also, trotz Smolensk und Hochwasser, ein Kunststück (ein Wermutstropfen - bei einer Wahlbeteiligung von gerade mal 49 %). Um so größer jetzt natürlich die Erwartungen und der Druck. Erwartet wird mit Spannung sein Exposé am Freitag, dem 18.11: Was wird mit Reformen, Steuererhöhungen, Budgetkürzungen?
Im Schatten dieser Erwartungen und Befürchtungen interessante Ereignisse in der stärksten Oppositionspartei: Hier ist der Rausschmiss (Ausschluss) der prominenten Drei DAS Thema, vor allem Ziobros und Kurskis – des Entdeckers des Opas aus der Wehrmacht (in Polen fast schon ein geflügeltes Wort: News über Tusks Großvater, der angeblich freiwillig in der Wehrmacht gekämpft haben soll, hat während der Präsidentschaftswahlkampagne 2005 für viel Aufsehen gesorgt). Hilft der Brief Zbigniew Ziobros, in welchem er fordert, den Parteikongresses einzuberufen und die Entscheidung über den Ausschluss zu widerrufen, und die Solidarität der 17 Parteikollegen, die unter dem Namen Solidarna Polska einen eigenen Klub gegründet (jedoch die Partei nicht verlassen) haben? Darüber ein interessantes Feuilleton in der letzten Wochenzeitschrift „Polityka“ mit dem Titel „Stimme seines Herrn“.
Wie auch immer die Entscheidung fällt, eines ist sicher – es wird nicht langweilig.
Über die Autorin dieses Artikels

Malgorzata Gruntkowski ist gebürtige Polin und lebt seit mehreren Jahren in Deutschland. Sie hat Germanistik in Breslau studiert und betreibt nun ein eigenes Übersetzungsbüro für die Sprachen deusch, polnisch und russisch: www.gruntkowski.com
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