Lech Walesa
Über welches politisches System ein Land verfügt, wird maßgeblich durch Kriege, aber auch durch politische Persönlichkeiten beeinflusst. Lech Walesa ist eine solche Persönlichkeit und hat dem Land Polen den Weg in die Demokratie geebnet. Wie es dazu kam, dass Polen einen politischen Wandel erlebte, welche Rolle Lech Walesa dabei spielte, wie das Privatleben des polnischen Nobelpreisträgers verlaufen ist und wie seine politischen Ambitionen aussehen, soll hier im Folgenden näher erläutert werden.
Kurzbiografie
Lech Walesa wurde am 29. September 1943 in Popowo in Polen geboren. Die ersten Jahre seines Lebens verlaufen ziemlich unspektakulär, bis Lech Walesa als Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarnosc ins Rampenlicht tritt. Durch sein politisches Engagement und seine Visionen von einer demokratischen Zukunft, gelingt es Lech Walesa, von 1990 bis 1995 Staatspräsident im nun demokratischen Polen zu werden.
Der Kampf gegen den Kommunismus hat Lech Walesa 1983 zum Friedensnobelpreis verholfen. Noch heute kennt jeder Lech Walesa als Kämpfer gegen den Kommunismus und damit auch als Begründer eines neuen politischen Systems. Sein Engagement hatte ihn bei der polnischen Bevölkerung äußerst beliebt gemacht, was dazu führte, dass er bei den Präsidentschaftswahlen 1990 mit 74% als Sieger hervorging.
Viele schätzten Lech Walesa zwar als Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarnosc, als Politiker hingegen fand er während seiner Amtszeit weniger Zustimmung, was letztendlich dazu führte, dass er bei den Wahlen 1995 nur noch 48,3% und im Jahre 2000 nur noch 1% aller Wählerstimmen erhielt. Doch noch heute ist Lech Walesa ein Mann, der für die Medien sehr interessant ist und oftmals durch Interviews seinen Standpunkt zu politisch brisanten Themen dargelegt.
Privatleben
Wer sich fragt, woher Lech Walesa gelernt hat, für seine Überzeugungen einzustehen und sie auch dann zu vertreten, wenn es zahlreiche Gegenstimmen gibt, sollte sich das Privatleben des Friedensnobelpreisträgers näher ansehen. Der am 29. September 1943 in Popowo geborene Lech Walesa musste bereits früh ohne einen Vater auskommen. Sein Vater, welcher gelernter Zimmermann war, wurde während des Zweiten Weltkrieges von den Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager gebracht und verstarb dort, als Lech Walesa gerade mal ein Jahr alt war. Zwar heiratete seine Mutter einige Zeit nach dem Tod von Boleslaw Walesa dessen Bruder, allerdings konnte dieser Lech Walesa den Vater nicht ersetzen. Hinzu kam noch, dass Lech Walesa im Nachkriegspolen in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und keine leichte Kindheit hatte.
Nachdem Lech Walesa eine Ausbildung zum Elektriker in Lipno gemacht hatte, diente er für zwei Jahre in der polnischen Armee. Anschließend arbeitete Walesa als Elektriker in Danzig für die Lenin-Werft. Im Jahre 1970 beteiligte sich Lech Walesa an einer Protestbewegung, bei welcher gegen die hohen Lebensmittelpreise rebelliert wurde. Nur sechs Jahre später nahm er an einer weiteren Protestbewegung teil und wurde in Folge dessen aus der Lenin-Werft entlassen. 1968 heiratete der gelernte Elektriker Miroslawa Danuta Walesa, mit der er in den folgenden Jahren acht Kinder bekam.
Nach seiner Entlassung aus der Lenin-Werft hatte es Lech Walesa nicht leicht, seine große Familie zu versorgen. Durch Gelegenheitsjobs versuchte er, seiner Familie so viel wie möglich zu bieten. In den vier Jahren seiner Arbeitslosigkeit begann Walesa damit, sich politisch zu engagieren und die Gewerkschaft Solidarnosc zu gründen.
Politisches Bestreben
Den widrigen Umständen von Polen in den 1970er Jahren ist es zu verdanken, dass Lech Walesa den Weg zur Politik gefunden hat. 1970 tritt Walesa das erste Mal politisch in Erscheinung, als er sich an den Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Arbeitern beteiligt. Als Führer der Werftarbeiter versucht er, für humanere Bedingungen zu sorgen. Als er sechs Jahre später sogar einen Streik organisiert, wird er aus der Werft entlassen. Dadurch, dass Walesa Unterschriften für eine Petition zur Errichtung eines Denkmals für die mehr als 80 Arbeiter, die von der Polizei während eines Streiks getötet wurden, sammelte, wurde er nicht nur aus der Werft entlassen, sondern musste eine einjährige Haftstrafe antreten. Zwar versuchte Lech Walesa, in der Arbeitswelt wieder Fuß zu fassen, dies gelang ihm jedoch nicht, da er auf einer öffentlichen schwarzen Liste stand, die allen untersagte, ihm Arbeit zu geben.
1978 setzte Lech Walesa sein politisches Bestreben fort und gründete die illegale Vereinigung Freie Gewerkschaft Pommerns. Dies brachte ihm mehrere Haftstrafen ein, die damit begründet wurden, dass er “anti-staatliche” Organisationen betreibe. Allerdings wurde er vom Gericht freigesprochen und durfte einige Zeit später das Gefängnis verlassen und erneut in der Lenin-Werft arbeiten. Doch auch dort führte er sein politisches Bestreben weiter und avancierte zum Streikführer. Seine Stellung als Streikführer sorgt dafür, dass er in ganz Polen bei Arbeitern Anerkennung erhielt. Schließlich bewegte Lech Walesa die Arbeiter der Danziger Werft dazu, ein Streik-Koordinationskomitee zu gründen, welches fortan für bessere Bedingungen der Arbeiter sorgen sollte. Zu Beginn war diese Vereinigung noch illegal, bis die kommunistische Regierung mit dem Streik-Koordinationskomitee eine Vereinbarung traf, so dass diese Vereinigung als Nationales Koordinationskomitee der freien Gewerkschaft Solidarität, kurz Solidarnosc, legal wurde. Walesa wurde von den Mitgliedern zum Vorsitzenden erklärt und war bis zum Dezember 1981 der Anführer dieser Gewerkschaft.
In seiner Zeit als Anführer erreichte Walesa unter anderem, dass es mehr Freiheiten für die Gründung von Arbeitervereinigungen gab, die Bildung unabhängiger Gewerkschaften und die Radioübertragung von katholischen Sonntagsmessen erlaubt wurden. Infolgedessen sah sich die Regierung um Edward Gierek dazu genötigt, zurückzutreten. Schnell fand die Gewerkschaft Solidarnosc Anerkennung in weiten Teilen der Bevölkerung, was dazu führte, dass die Mitgliederzahl in sehr kurzer Zeit auf 10 Millionen anstieg. Im März 1981 gab es den bisher größten organisierten Protest in der Geschichte der Ostblockstaaten: Mehr als 13 Millionen Arbeiter legten in ganz Polen für insgesamt vier Stunden ihre Arbeit nieder und protestierten so gegen die Misshandlung von Mitgliedern der Solidarnosc-Bewegung.
Im Dezember 1981 nahm das Amt des Vorsitzenden von Solidarnosc für Walesa ein abruptes Ende, als der Premierminister Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht verkündete. Der Premierminister ließ alle im Vorstand der Solidarnosc-Gewerkschaft verhaften. Doch damit nicht genug; im darauf folgenden Jahr wurden aller Arbeitervereinigungen und Gewerkschaften durch ein Gesetz verboten. Dies führte zu einem Proteststreik, der jedoch durch das Militär gewaltsam unterdrückt wurde. Aufgehoben wurde das Kriegsrecht dann im Juli 1983, was dazu führte, dass Walesa aus der Haft entlassen wurde und wieder als Arbeiter bei der Lenin-Werft eingestellt wurde.
Walesa ließ sich durch das Verbot der Arbeitervereinigungen und Gewerkschaften nicht beirren und formierte die Solidarnosc-Bewegung im Untergrund neu. Da es zu erneuten Streiks in ganz Polen kam, setzte sich die Regierung im Herbst 1988 mit Lech Walesa zusammen und legalisierte Solidarnosc wieder. Walesa erreichte darüber hinaus, dass es zu Gesprächen am Runden Tisch kam, die zwischen ihm und der polnischen Regierung stattfanden. Das Ergebnis dieser Gespräche war ein Neuer Gesellschaftsvertrag, der sowohl Gewerkschaften wieder erlaubte, als auch eine Demokratisierung Polens befürwortete.
Lech Walesa hatte sich durch sein politisches Engagement viel Anerkennung und Beliebtheit bei den Polen gesichert. Bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen 1990 ging Walesa mit einer eindeutigen Mehrheit von 74 % der Stimmen hervor und wurde damit für fünf Jahre zum Präsident Polens. Seine Zeit als Präsident wurde von der polnischen Bevölkerung als auch von Politikern als äußerst umstritten angesehen. Infolge zahlreicher demokratischer als auch marktwirtschaftlicher Reformen und schnell wechselnder Regierungen, hatte Walesa sehr viele Wählerstimmen verloren. 1995 ging deswegen nicht mehr Walesa als Sieger bei den Präsidentschaftswahlen hervor. Da er nur 48,3% der Wähler auf seiner Seite hatte, musste er das Amt an den Post-Kommunisten Alexander Kwasniewski abgeben. Doch auch bei den nächsten Wahlen im Jahre 2000 trat Lech Walesa als Kandidat an, erlebte jedoch ein niederschmetterndes Wahlergebnis, immerhin wurde er nur von einem Prozent aller Wahlberechtigten gewählt.
Das Leben nach Solidarnosc
Heute sieht Lech Walesa seine Niederlage bei den zweiten Präsidentschaftswahlen zwar mit etwas mehr Abstand, allerdings hätte sich Walesa nach eigenen Aussagen mehr Zeit gewünscht, um mehr für das polnische Volk tun zu können. Er fände es schade, dass er nicht die Möglichkeit dazu bekommen habe.
Nach seiner zweiten Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 erklärte Walesa, er würde sich aus dem politischen Geschehen zurückziehen. Seit diesem Zeitpunkt ist Walesa an zahlreiche Universitäten ein gern gesehener Gast und hält Vorlesungen, bei denen es um die Geschichte und die Politik Europas geht. Außerdem beteiligt sich Walesa an vielen Diskussionen zum politischen Geschehen.
2004 wurde Walesa eine besondere Ehre zuteil, denn der Internationale Flughafen Danzig-Dreistadt wurde offiziell zu Flughafen Lech Walesa Danzig umbenannt. Aus der Gewerkschaft Solidarnosc hat sich Walesa zurückgezogen, denn nach eigenen Angaben sei dies nicht mehr die Gewerkschaft, die er gegründet habe. Zwar besteht die Gewerkschaft Solidarnosc noch heute, allerdings hat sie ihre politische Macht über die Jahre hinweg einbüßen müssen, ebenso wie der Begründer dieser Gewerkschaft - Lech Walesa - selbst.
Auszeichnungen und Ehrungen
Dass das politische Bestreben von Lech Walesa nicht nur in Polen selbst Anerkennung fand, lässt sich durch zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen feststellen. Lech Walesa hat im Laufe seines Lebens die höchsten Orden und Ehrungen erhalten, die einem zuteil werden können. Unter anderem trägt der polnische Politiker das Bundesverdienstkreuz, ist Empfänger von vielen Preisen, darunter die Freiheitsmedaille von Philadelphia, der International Democrazy-Award, der Friedensnobelpreis 1983, der Preis für Menschenrechte in Europa und die Freiheitsmedaille der USA.
Als höchste Orden, die sich Lech Walesa für sein politisches Engagement verdient hat, gelten neben dem Friedensnobelpreis auch das Großkreuz der Ehrenlegion, das Knight of the Grand Cross of the Order of the Bath, sowie die skandinavischen Sankt-Olav-, die Elephanten- und die Seraphinen-Orden. Außerdem erhielt Walesa von 32 europäischen und US-amerikanischen Universitäten den Ehrendoktortitel.